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Anna Haifisch

Foto Anna Haifisch
Foto Anna Haifisch
© Matthew James-Wilson

Anna Haifisch

www.hai-life.com

Laudatio von Andrea Heinze:

Den internationalen Durchbruch hatte Anna Haifisch mit ihrem Comic-Strip „The Artist“, den sie im Jahr 2015 und 2016 für das amerikanische Vice-Magazine entwickelte und dessen gesammelte Folgen bei Reprodukt erscheinen. „The Artist“ ist ein erfolgloser Künstler, den Anna Haifisch als schlaksigen nackten Vogel zeichnet, der von egozentrischen Kollegen gedemütigt wird, die die Marktmechanismen kennen und brav bedienen. „The Artist“ beinhaltet alles, was das Künstlerleben ausmacht, inklusive sämtlicher Klischees. Das liest sich großartig, weil Anna Haifisch wunderbar respektlos aus der Innensicht der Kunstszene schreibt. Und weil sie ebenso eigene, wie abgewrackte Bilder für ihre kurzen Geschichten findet – die immer auch eine Achtsamkeitsübung gegenüber der von Selbstzweifeln geschundenen Künstlerseele ist.

Die Kunstszene kennt Anna Haifisch aus ihrer Heimatstadt Leipzig, wo sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, und aus New York, wo sie während ihres Studiums zwischendurch auch mal als Siebdruckerin gearbeitet hat. Nach ihrem Meisterstudium bei Thomas M. Müller gründet sie mit Freunden „The Millionaires Club“, ein internationales Comic- und Illustrationsfestival, das zeitgleich zur Buchmesse an etablierten Orten wie der Galerie für Zeitgenössische Kunst oder an linken Szenetreffs wie Conne Island stattfindet. Mit „The Millionaires Club“ hat Anna Haifisch die Leipziger Comicszene maßgeblich geprägt.

In ihren Comics und Illustrationen ist Anna Haifisch immer radikal eigen geblieben. Die meist dürren, aufrechten Tierfiguren, die vor allem von menschlichen Schwächen geleitet werden, sind ihr Markenzeichen geworden, ebenso die klaren Farbflächen – meist gelb, orange, rosa, mitunter auch ein kräftiges grün. Damit ist ihr Stil immer wieder erkennbar, ganz gleich, ob Anna Haifisch für die Zeitung „Die Zeit“ einen Sittich zeichnet, der sich eitel im Spiegel betrachtet oder in ihrer aktuellen Kurzgeschichtensammlung „Schappi“, erschienen 2019 bei Rotopol, den Blick weitet und zum Beispiel den G7-Gipfel aufs Korn nimmt, indem sie verschiedene fleisch- und pflanzenfressende Tiere in gediegenem Ambiente zu einer Friedenskonferenz einlädt – was naturgemäß nur schief gehen kann.

In ihrem jüngsten Web-Comic für das renommierte Museum of Modern Art in New York schickt Anna Haifisch ihren geschundenen, nackten Künstlervogel ins MoMa und lässt ihn dort ein eigenes Werk in die aktuelle Sonderausstellung schmuggeln, weil er einem Sammlerehepaar auf einer Party in einem Anflug von Großspurigkeit erzählt hat, dass eines seiner Werke dort vertreten sei. Anna Haifisch ist gerade mal Mitte 30 und hat so etwas nicht nötig. Es gibt nur wenige Comickünstler*innen, die so international unterwegs sind und für so viele renommierte Institutionen arbeiten. Anna Haifisch ist Comiczeichnerin und Künstlerin – und die beste deutschsprachige Comic-Künstlerin 2020.